Eine Strategie zur Steigerung der aeroben Schlammstabilisierung: zyklisches Verfahren
Eine verbreitete Fehlannahme bei der aeroben Schlammstabilisierung ist, dass der Prozess während der gesamten Verweilzeit zu 100 % belüftet sein muss. Überdenkt man dies, so erweist sich jedoch ein zyklischer Wechsel zwischen Rühren und Rühren mit Belüftung als effektiver und energiesparender. Durch die Möglichkeit, die Luftzufuhr aus- und einzuschalten, schafft der Prozess aerobe und anoxische Phasen, was zu zusätzlichem Nährstoffabbau, einer verbesserten Entwässerbarkeit des Schlammes und erhöhtem Abbau flüchtiger Schlamminhaltsstoffe führt. Dies wiederum fördert die endogene Atmung und Nitrifikation. Für die aerobe Schlammstabilisierung sind verschiedene Verfahren bekannt, oft müssen mehrere Arten von Maschinen kombiniert werden, um einen soliden zyklischen Prozess zu ermöglichen. Glücklicherweise gibt es Systeme, die mit nur einer Maschine Rühren und Belüften können!
Definition der aeroben Schlammstabilisierung
Die aerobe Schlammstabilisierung ist ein Abwasserbehandlungsschritt, der zur Behandlung von Überschussschlamm oder einer Schlammmischung verwendet wird. Typischerweise entsteht ein Schlamm, der als Biofeststoffklasse B eingestuft werden kann. Die Verweilzeiten liegen in der Regel zwischen 40 und 60 Tagen. Die Schlammzersetzung ist in erster Linie direkt abhängig von Alter und Temperatur des Schlamms, siehe Abb. 1 (Metcalf & Eddy, 2014)
In der aeroben Schlammstabilisierung können thermophile Zustände erzielt werden, die die biochemischen Reaktionen beschleunigen und die Verweilzeit in der Regel um 20 bis 40 Tage verkürzen. Thermophile Bedingungen können eine größere Reduktion von Bakterien und Viren bewirken, die Anforderung für Klasse-A-Biosolide erfüllen, indem sie bei 55°C oder höher betrieben werden, und im Vergleich zur konventionellen aeroben Schlammstabilisierung niedrigere Energieanforderungen aufweisen. Trotz dieser Vorteile wird im vorliegenden Artikel nicht weiter auf thermophile Zustände eingegangen und nur der konventionelle aerobe Schlammstabilisierungsprozess behandelt.
Abbildung 1: Reduzierung der flüchtigen Feststoffe in einer aeroben Schlammstabilisierungsanlage in Abhängigkeit von Temperatur und Schlammalter
Unter aerober Schlammstabilisierung ist der Abbau der organischen Schlamminhaltsstoffe unter Sauerstoffzufuhr zu verstehen. Der Sauerstoff wird in ein Becken oder Tank eingebracht, damit die im Schlamm enthaltenen Mikroorganismen organische Stoffe in Kohlendioxid und Wasser sowie die Ammoniak- und Aminogruppen in Stickstoff umwandeln können. Die biochemischen Prozesse in einer aeroben Schlammstabilisierungsanlage entsprechen den folgenden Gleichungen:
Biomasseabbau: Biomasse + Sauerstoff → Kohlendioxid + Wasser + Ammoniumcarbonat
Nitrifikation: Ammoniak + Sauerstoff → Nitrat + Wasserstoff + Wasser
Gesamtgleichung: Biomasse + Sauerstoff → Kohlendioxid + Wasser + Salpetersäure
Denitrifikation: Biomasse + Nitrat → Kohlendioxid + Stickstoff + Ammoniak + Hydroxid
Gesamtprozess: Biomasse + Sauerstoff → Kohlendioxid + Stickstoff + Wasser
Die aerobe Schlammstabilisierung läuft ähnlich wie das konventionelle Belebtschlammverfahren ab, zeichnet sich aber durch längere Verweilzeiten ohne Rohabwasserzufuhr aus, d.h. ohne Nahrung für die Mikroorganismen. Werden den Mikroorganismen jedoch keine frischen organischen Stoffe zugeführt, dann sterben sie ab und werden zur Nahrung anderer Bakterien im Becken. Dadurch sinkt die Konzentration der organischen Feststoffe im Schlamm. Dieser Vorgang wird als endogene Atmung bezeichnet. Unter gewissen Umständen kann die aerobe Schlammstabilisierung auch zur Nitrifikation führen. In der Regel wird das über den pH-Wert gesteuert; es können jedoch auch andere Parameter zur Prozesssteuerung herangezogen werden.
Aktuelle Technik
Abbildung 2: Oberflächenbelüfter i. Vgl. zu Hyperboloid-Rühr- und Begasungssystem
Da aerobe Schlammstabilisierung sowohl Belüftung als auch Rühren erfordert, wird typischerweise grobblasige Belüftung, Jet-Belüftung oder Oberflächenbelüftung verwendet und Rührwerke als zusätzliche Maschinentechnik verbaut. Um beide Prozessschritte zu ermöglichen, sind normalerweise also mehrere Maschinen nötig. Zum zusätzlichen Rühren sind daher oft weitere Rührwerke erforderlich. Mittlerweile gibt es aber Technologien die beide Prozesse vereinen, zwei Einzelsysteme sind damit nicht mehr erforderlich.
Für den Wechsel zwischen Rühren mit und ohne Belüftung hat sich das INVENT HYPERCLASSIC®-Rühr- und Begasungssystem als geeignet erwiesen. In Anlagen der aeroben Schlammstabilisierung sind dadurch mechanisches Rühren und Belüften möglich. Beim Rühren ist die Luftzufuhr abschaltbar, womit sich anoxische Bedingungen einstellen lassen, in denen Denitrifikation ablaufen kann. Durch dieses kombinierte System wird eine optimale Regelbarkeit, dieses Prozesses ermöglicht, was erhebliche Vorteile im Vergleich zu einer unflexiblen Ausführung mit anderen Systemen, wie z. B. Oberflächenbelüftern bietet (siehe Abb. 2)
Der Alphawert
Bei erhöhten Viskositäten, also mindestens 2 % Trockensubstanzgehalt im Belebtschlamm (TSBB) wird mechanisches Rühren notwendig und Luftzufuhr alleine reicht nicht mehr für eine ausreichende Durchmischung. Bei steigendem Feststoffanteil verringert sich entsprechend der Alphawert. Dieser wiederum beeinflusst die Effizienz der Sauerstoffzufuhr in Belebtschlamm, weshalb festgestellt werden kann, dass die Viskosität des Schlamms stark mit der Sauerstoffzufuhr korreliert. Im Beitrag „Digester Aeration Design at High Solids Concentration“ (Gestaltung der Belüftung für aerobe Schlammstabilisierung bei hoher Feststoffkonzentration) wurde gezeigt, dass bei feinblasiger Membranbelüftung der Alphawert ab 3 % TSBB unter 0,1 fällt (Schoenenberger, Shaw, Redmon, 2003).
Sinkt der Alphawert unter 0,1, kann es zu unerwünschten anaeroben Zuständen kommen, die Geruchs- und Schaumbildung verursachen. Das HYPERCLASSIC®-Rühr- und Begasungssystem liefert dagegen höhere Alphawerte, da sein mechanischer Aufbau den Sauerstoff tiefer in die Schlammflocken einbringt. Bei Feststoffanteilen von bis zu 5 % kann mit diesem Rühr- und Begasungssystem der Alphawert etwa 0,27 betragen. Das resultiert mitunter aus der mechanischen Durchmischung, die die Verteilung von Luft im gesamten Tank ermöglicht und der Erzeugung von kleinen bis mittelgroßen Blasen für eine bessere Sauerstoffübertragung.
Zyklischer Wechsel beim Rühren mit und ohne Belüftung
Im Gegensatz zur Überbelüftung bei herkömmlicher Durchmischung bei stetiger Belüftung bietet kombiniertes vom Belüften entkoppeltes Rühr- und Begasungssystem die Kontrolle über den gesamten aeroben Prozess durch Sauerstoffzufuhr und/oder Durchmischung. Es müssen verschiedene Parameter festgelegt werden, um den Prozess der aeroben Schlammstabilisierung zu kontrollieren. Sowohl die Zeit als auch der ORP (Redoxpotenzial) können verwendet werden, um den Wechsel zwischen dem Rühren und dem Rühren/Belüften neben dem pH-Wert zu steuern.
Da der Abbau von Feststoffen in der Regel das Hauptziel der aeroben Schlammstabilisierung ist, bestimmen Änderungen des pH-Werts die Fähigkeit, die Biomasse zu zersetzen. Wenn der pH-Wert fällt, muss die Alkalinität gesteigert werden, da sonst die Entwässerungsfähigkeit des Schlamms zu stark abnimmt. Wird die Luftzufuhr ausgeschaltet, kann die Alkalinität durch Nitratabbau (Denitrifikation) wieder hergestellt werden. Dieser Ein/Aus-Belüftungsrhythmus kann nun also den Chemikalienbedarf verringern, der sonst bei konstant belüfteten Systemen erforderlich ist.
Ein weiteres Hauptziel der aeroben Schlammstabilisierung kann die Nitrifikation sein. Sie ist vorteilhaft, wenn der Ammoniakgehalt im Gärrückstand im vorderen Teil der Anlage ein Problem darstellt. Beginnend mit Rühren und Belüften wird die Biomasse im System zersetzt und es entsteht Kohlenstoffdioxid, Wasser und Ammoniumbicarbonat. Bei weiterer Belüftung kann nun die Nitrifikation erfolgen, bei der Ammonium in Nitrat, Wasserstoff und Wasser umgewandelt wird. Unter ständiger Luftzufuhr könnte dieser ununterbrochene Prozess den pH-Wert sinken und die Alkalinität aufzehren lassen. Wird dagegen über längere Phasen nur noch gerührt, dann stellen sich in der aeroben Schlammstabilisierungsanlage im Wesentlichen anoxisch/anaerobe Bedingungen ein, bei einem Gelöstsauerstoff im Becken von 0 mg/l.
Dieser Prozess leitet dann die Denitrifikation ein, bei der Nitrat mit dem Wasserstoff aus der Nitrifikation elementares Stickstoff und Wasser bildet. Ist Biomasse vorhanden, entstehen auch Kohlendioxid und Ammoniak. Die Denitrifikation stellt den pH-Wert wieder her, da sie dem Prozess erneut Alkalinität zuführt. Anschließend kann für die aerobe Schlammstabilisierung wieder belüftet werden und der Zyklus beginnt von neuem. Am Ende des Prozesses enthält der Gärrückstand nun bis zu 20 % weniger Ammoniak, das in den vorderen Teil der Anlage zur klassischen biologischen Reinigung wieder eingebracht wird.
Das HYPERCLASSIC®-Rühr- und Begasungssystem im Überblick
Abbildung 3: Schematische Darstellung des HYPERCLASSIC®-Rühr- und Begasungssystem
Da der Betreiber damit die aerobe Schlammstabilisierung stärker unter Kontrolle hat, lassen sich die Kosten senken, der Chemikalienbedarf reduzieren und die Energieeinsparungen durch zyklische aerobe Schlammstabilisierung erhöhen. Mit dem HYPERCLASSIC®-Rühr- und Begasungssystem wird die Mischenergie zusammen mit der Lufteinleitung zentral am Beckenboden eingetragen, wodurch die Oberfläche der Luftblasen ständig erneuert wird. Wenn die Luft ausgeschaltet ist, wird gleichzeitig eine ausreichende Durchmischung beibehalten.
Das Resultat sind ideale Bedingungen für eine zyklische aerobe Schlammstabilisierung. Das Belüftungssystem selbst besteht aus einem Hyperboloid-Rührwerk, das nicht verstopft und über integrierte Transportrippen den Flüssigkeitsstrom stärker beschleunigt. Gleichbleibender Gegendruck und Wirkungsgrad sind auch bei intermittierender Belüftung gegeben. Auch bei hohen TSBB-Werten ist das Rühr- und Begasungssystem zuverlässig und zudem einfach zu warten und zu betreiben. Das System erfordert lediglich alle paar Jahre eine Wartung des trocken montierten Antriebsmotors über Wasser sowie eine Inspektion der Führung am Tankboden. Das System ist auch für wechselnde Füllstände geeinigt, wodurch Becken beim Schlammabzug oder Leeren des Schlamms weiter durchmischt werden kann, ohne dass das Rührwerk Schaden nimmt. Der Schlammabzug ist deshalb homogen und einfach, da der Schlamm auch bei sinkendem Füllstand durchgehend durchmischt wird.
Eine intensive Durchmischung ist wesentlich, damit sich der Schlamm nicht am Beckenboden absetzt. Bei schlechter Durchmischung kann es außerdem zu einem Gelöstsauerstoffgefälle kommen. Da der Rührkörper des HYPERCLASSIC®-Rühr- und Begasungssystems nah am Beckenboden montiert ist, entsteht eine starke Sohl- und Vertikalströmung, die eine Homogenisierung des Schlamms und Vermeidung von Sauerstoffgradienten ermöglicht.
Die Luft wird über den Begasungsring unter dem Rührwerk verteilt. Beim Entweichen trifft sie auf die einzigartig geformte Unterseite des Rührwerks mit Dispergirtunneln und speziellen Scherrippen. Bei Rührwerksdrehung wird die Luft in den Dispergirtunneln intensiv mit dem Abwasser vermischt. Die Scherrippen erzeugen eine Mischung aus groben bis feinen Blasen. Die Hauptströmung transportiert diese Blasen radial nach außen und verteilt sie im gesamten Becken.
Praxisbeispiele
Bei jeder Technik belegen Praxisbeispiele und -daten die Funktionsfähigkeit. Das HYPERCLASSIC®-Rühr- und Begasungssystem ist in Stabilisierungssanlagen auf der ganzen Welt installiert und hat sich für die zyklische aerobe Schlammstabilisierung bestens geeignet erwiesen. Zum Beispiel in den USA sind mehrere aerobe Schlammstabilisierungsanlagen mit erfolgreicher Prozessführung im Einsatz. Die älteste amerikanische Kläranlage mit diesen Rühr- und Begasungssystemen ist seit 2006 in Jacksonville Beach in Betrieb (siehe Abb. 4). Sie behandelt in drei Rundtanks einen Feststoffgehalt von bis zu 3 % unter qualitativ gleichbleibender Zufuhr zur Schlammentwässerung. Der behandelte Schlamm erfüllt gleichbleibend die Norm der Klasse B, und die Betreiber sind mit ihrer Wahl und dem Ergebnis der Abwasserbehandlung sehr zufrieden.
Abbildung 4: Kläranlage Jacksonville Beach, Florida
Eine weitere Anlage befindet sich in der USA, nämlich in Meridian im US-Bundesstaat Colorado (siehe Abb. 5). Dort wurde 2020 ein Faulteich mit zwei HYPERCLASSIC®– Rühr- und Begasungssystemen eingerichtet. Der Betreiber kann ihn problemlos bei unterschiedlichen Füllständen betreiben, und selbst direkt neben dem Becken ist wenig bis keine Geruchsbelästigung zu spüren. Hier wird Schlamm mit einem Feststoffgehalt von bis zu 2,5 % verarbeitet. Dadurch wurden Energiekosten gesenkt und eine höhere Prozessleistung erzielt.
Abbildung 5: Kläranlage Meridian, Colorado
Zusammenfassung
Die zyklische aerobe Schlammstabilisierung ist sowohl bei der Reduzierung der Feststoffe als auch bei der Nitrifikation von Nutzen. Das INVENT HYPERCLASSIC®-Rühr- und Begasungssystem hat sich in der Praxis auch bei hohen Feststoffanteilen bewährt. Durch die Möglichkeit, die Luft beim Rühren zu- und abzuschalten, gibt das System dem Betreiber und dem Prozessbetrieb selbst Flexibilität. Seine Stabilität und Zuverlässigkeit machen es für die Belüftung in der Schlammstabilisation zur ersten Wahl.
Autoren: Jackie Lauer, P.E.